· Paradiescafé

  Sonntag 12.05.2019 16:00 Uhr

Paradiescafé

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Paradiescafé-Konzert № 1

Aus der Beschäftigung mit Bachs „Kunst der Fuge“, deren Titel lediglich von seinem Schüler Johann Christoph Altnikol überliefert, aber nirgends vom Komponisten selbst schriftlich belegt ist, wurde der Begriff des „spekulativen Spätwerks“ gebildet, der in der Musikgeschichte sonst nur noch mit Beethovens letzten Streichquartetten verbunden ist. Die Forschung nimmt an, dass Bach das Werk für die Jahresgabe der „Correspondierenden Societät der musicalischen Wissenschaften“ komponierte, der er 1747 beigetreten war und deren Mitglieder bis zu ihrem 65. Lebensjahr in jedem Sommer ein „wissenschaftliches Werk“ vorzulegen hatten.

Der polnisch-französische Komponist Szymon Laks wurde nach der Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten im Mai 1941 verhaftet, dann im Lager Pithiviers interniert und schließlich nach Auschwitz deportiert, wo er bis zur Erschöpfung zu arbeiten hatte. Seine Situation besserte sich erst, als er sein Probespiel im Lagerorchester bestand. Dass er mit Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert ein „verbotenes“ Werk spielte, blieb zum Glück offenbar unbemerkt. In seinem dritten Streichquartett von 1945 verknüpft Laks verschiedene polnische Lieder und Tänze miteinander. Wenn er im zweiten Satz das „Matulu moja” zitiert, dann klingt die Übersetzung des Liedes mit: „Durch den dichten und den lichten Wald geht ein Soldat, dem Verhungern nah ... Mütze auf dem Kopf.“ Spielt Laks hier auf die sadistische Praxis eines „Salutierens auf Befehl“ an, bei dem die Insassen ständig ihre gestreiften Kappen abzunehmen und wieder aufzusetzen hatten? In der Partitur wird das von der Viola angestimmte polnische Volkslied mit der Ausdrucksanweisung: „un poco dolente“ versehen.

Mendelssohn Bartholdys drei Quartette op. 44 sind weniger beliebt als ihre beiden noch in der Jugend entstandenen Vorgänger. Der Komponist selbst war dagegen der Ansicht, dass etwa sein Quartett op. 44 Nr. 3 „einige hundertmal besser“ wäre, als die früheren, und er hoffte, dass ein rechter „Fortschritt“ in ihm „zu bemerken“ wäre.

Sebastian Urmoneit

Johann Sebastian Bach:
„Die Kunst der Fuge“ BWV 1080 (Auszüge)

Szymon Laks:
Streichquartett Nr. 3 auf polnische Volksweisen (1945)

Felix Mendelssohn Bartholdy:
Streichquartett Nr. 5 Es-Dur op. 44 Nr. 3

Vivamente-Quartett:
Heidrun Wenke, Violine
Christoph Hilpert, Violine
Frederik Nitsche, Viola
Markus Eckart, Violoncello

Ab 15 Uhr Kaffee & Kuchen

Paradiescafé, Foto: Tobias Tanzyna
Paradiescafé, Foto: Tobias Tanzyna

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