Donnerstagskonzert № 2

Dunkel Tönendes und Heiteres in Mozarts Musik

Enjott Schneider, Juliana Koch, Simon Gaudenz, Jenaer Philharmonie, Foto: Jenaer Philharmonie, Eva Maria Liegl
Enjott Schneider, Juliana Koch, Simon Gaudenz, Jenaer Philharmonie, Foto: Jenaer Philharmonie, Eva Maria Liegl

Ein Mozart-Klang voll herber Schönheit

Zu Beginn des Konzerts am 11. November 2021 spielte das Orchester der Jenaer Philharmonie unter der Stabführung von Simon Gaudenz Mozarts Sinfonie in g-Moll KV 550. Zur Trias seiner drei letzten Sinfonie gehörend, wird sie häufig gespielt, ist in vielen CD-Aufnahmen erhältlich und häufig in den Klassik-Programmen des Rundfunks zu hören. Und doch: So ausdrucksstark und in jedem Takt transparent ist sie in Jena noch nicht erklungen: voller Unrast, gedämpfter Bewegung und leidenschaftlicher Düsternis im Kopfsatz, mit großer, immer bedrohter Ruhe und Kantabilität im Andante, mit einer bis zu Mahler vorausweisenden Schroffheit im Menuett und einer Erregtheit und Zerrissenheit im Finalsatz, in dem alle Hoffnung verloren ist. Auch wenn die Musik von harten Dissonanzen geprägt ist oder sich wie im Finalsatz am Rande der Tonalität bewegt, ist sie doch von unvergleichlicher Brillanz. Eben diese „Doppeltheit“ war im Spiel des Jenaer Philharmonischen Orchesters unter Simon Gaudenz stets präsent: Ein Mozart-Klang voll herber Schönheit, in dem feinste Nuancen der Streicher, Holzbläser und Naturhörner hörbar waren.

Erfolgreiche Uraufführung von Enjott Schneiders „Mozart Ascending“ mit Juliana Koch

Durch ihr technisch brillantes und fein nuanciertes Spiel verhalf Juliana Koch, Solo-Oboistin des London Symphony Orchestra, Enjott Schneiders „Mozart Ascending“ zur erfolgreichen Uraufführung. Beeindruckt und beeinflusst von Miloš Formans Film „Amadeus“ bezieht Schneider Mozarts unvollendetes Oboen-Konzert KV 293 in seine Komposition ein, versieht es mit einem Prolog, in dem Bässe und Schlagwerk dominieren, kontrastiert es u. a. mit dem Komtur-Thema aus „Don Giovanni“, das im Orchester kraftvoll erklingt, und spürt so der Frage nach, warum Mozart sein Oboen-Konzert als Fragment hinterließ. So kreist Enjott Schneiders musikalische Reflexion über Mozart und dessen Musik, um die Kernfrage, ob vielleicht das Dunkle und das zum Spaß Neigende in Mozarts Musik bisweilen unvereinbar nebeneinander existierten. Wie es dem Komponisten gelingt, durch Mozart-Zitate, deren Kommentierung und das musikalische Fortspinnen der eigenen Gedanken ein Konzertieren zwischen Solo-Instrument und Orchester zu kreieren, das lässt „Mozart Ascending“ zum Erlebnis werden. Im Epilog schwingt sich die Musik zu überirdischer Schönheit auf. Höchste Anerkennung für Juliana Koch, die scheinbar mühelos die technisch schwierigen Passagen ihres Solo-Parts bewältigte und durch ihr intensives, ausdrucksstarkes Spiel das Publikum sehr beeindruckte!

Im Wechsel der Stile und Plätze

Voller Humor und Ironie spielten zwei Streichorchester (Solistinnen: Katharina-Viktoria Georgiev und Solveig Mathe) Alfred Schnittkes „Moz-Art à la Haydn“. Sie kamen spielend aus der Dunkelheit und nahmen ihre Plätze ein. Urplötzlich ging das Licht an, und Simon Gaudenz dirigierte die beiden Streichorchester, die mit unglaublicher Präzision zwischen den Stilen, den Plätzen (Violinen und Bratschen spielten wie zu Haydns und Mozarts Zeiten im Stehen) und Zeiten wechselten und sichtlich Vergnügen an Alfred Schnittkes heiter-intelligenter Komposition hatten. Schließlich verlosch das Licht, und die beiden Streichorchester verließen spielend die Bühne.

Persiflage auf eine Sinfonie

Zum Schluss erklang Mozarts „Dorfmusikanten-Sextett“ in einer Besetzung für zwei Naturhörner und Streichorchester. Das ist durchaus berechtigt, kann man doch das „Dorfmusikanten-Sextett“ als Persiflage auf eine „große Sinfonie“ hören. So gesehen, erklang es als witziges Gegenstück zur eingangs gespielten großen g-Moll-Sinfonie. Von Mozart ist das 1787 entstandene „Dorfmusikanten-Sextett“ als „musikalischer Spaß“ komponiert. Alle Beteiligten, angefangen bei Konzertmeisterin Rosa Donata Milton, über die beiden Hornistinnen bis zu Simon Gaudenz spielten mit viel komödiantischem Elan, Einfallsreichtum und Witz so wunderbar falsch, dass es für Musiker und Publikum ein großes Vergnügen war!

Das Jenaer Publikum konnte ein Konzert erleben, in dem die dunklen Seiten Mozarts, sein inneres Getrieben-Sein und die heiteren Seiten, sein zu musikalischen Späßen aufgelegtes Wesen, gleichermaßen zum Klingen kamen. Wie lebendig und inspirierend Mozarts Musik auf Komponisten unserer Gegenwart wirkt und wie sie im Dialog mit Mozart zu einer ganz eigenen Sprache fanden, das wurde für die Zuhörerinnen und Zuhörer im Jenaer Volkshaus zu einem nachhaltigen musikalischen Erlebnis!

Dr. Dietmar Ebert

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