Ein furioses Jugendwerk Rolf Liebermanns, Dieter Ammanns „unbalanced instability“ mit Michael Barenboim und eine von aller romantischen Schwere befreite „Eroica“

Das erste Frei­tags­kon­zert der Jenaer Phil­har­monie begann mit Rolf Lieber­manns „Furioso“ (1947), einer frühen Kompo­si­tion des späte­ren Direk­tors der Ham­bur­ger Staats­oper. Gerade in Zeiten, da Rolf Lieber­manns Nach­ruhm zu verblassen beginnt – ältere Musik­freun­din­nen und -freunde werden sich noch leb­haft an die Auffüh­rung seiner Oper „Die Schule der Frauen“ in Dresden erin­nern – ist es beson­ders ver­dienst­voll, an die fri­schen und leben­di­gen Kompo­si­tio­nen des in der Schweiz gebo­renen Musi­kers und Thea­ter­man­nes zu erin­nern. Simon Gau­denz und das Orchester der Jenaer Phil­har­monie spiel­ten Lieber­manns Kom­po­sition, in der sich virtu­ose Zwölf­ton-Musik, wilde Ganz­ton­leitern und Anklänge an den Jazz verbin­den, mit größter Genau­ig­keit und wahr­haf­tem Furor.

Aus Anlass seines 60. Geburts­tags erwiesen der Geiger Michael Baren­boim, Simon Gau­denz und die Jenaer Phil­har­monie dem Schwei­zer Kompo­nisten Dieter Ammann mit dessen 2013 entstan­de­nem Stück „unba­lanced insta­bililty“ ihre Reve­renz. Die Solis­tin der Urauf­füh­rung in Witten war seiner­zeit Carolyn Widman. In Jena hatte Michael Baren­boim den Solo­part über­nom­men. Er begann sein Spiel ohne Bogen. Sehr ver­schie­dene Pizzi­cati wurden zu­nächst nur leise vom Orches­ter beglei­tet. Ammanns „Konzert­satz für Solo­vio­line und Kammer­orchester“ ist dicht, fragil und spiele­risch. Ob mit oder ohne Bogen, immer ent­spann sich zwi­schen dem Solis­ten und einze­lnen Orches­ter­stim­men, z. B. Strei­chern, Holz­bläsern, Marim­ba­phon und Glocken­spiel, ein kurzer musi­ka­li­scher Dialog, es war ein schneller Wechsel der Klänge, ein Kon­zer­tie­ren der ganz eige­nen Art, das ein genaues Zuhören und ein Sich-Ein­las­sen auf Unge­wohn­tes verl­ang­ten. Kurz bevor der Kon­zert­satz endete, spielte Michael Baren­boim eine hoch­vir­tuose Solo-Kadenz. Danach beglei­te­ten noch einzelne Orches­ter­stimmen den Solis­ten, ehe das Stück mit einem Pizzi­cato ver­klang. Das Publi­kum dankte Michael Baren­boim, Dieter Ammann, dem Jenaer Orchester und Simon Gau­denz mit langem herz­li­chem Applaus. Als Zugabe spielte Michael Baren­boim eine zart, fragil und vir­tuos anmu­ten­de Kompo­sition von Henri Vieux­temps.

Im zweiten Teil des Kon­zer­tes erklang Ludwig van Beet­ho­vens 3. Sinfonie in Es-Dur, seine „Eroica“. Damit erin­nerte die Jenaer Phil­har­monie an den 50. Todes­tag Ernst Schwaß­manns. Er war der erste Diri­gent des Städti­schen Sinfonie-Orches­ters Jena. Die Beet­hoven-Pflege lag ihm beson­ders am Herzen. Simon Gau­denz und das Jenaer Phil­har­moni­sche Orchester began­nen den Kopf­satz der „Eroica“ genauso wie das gesamte Kon­zert: furios, in atem­be­rau­ben­dem Tempo. Das ist die Musik eines jungen revo­lu­tio­nären „Feuer­kopfes“. Trotz der rasanten Tempi war jedes kleinste Detail im Orchester hörbar. Der Strei­cher­klang war sehr warm und differen­ziert, im Trauer­marsch beein­druck­ten vor allem die Soli der Holz­bläser, im Scherzo die Hörner und im Final­satz der Glanz der Trom­pe­ten und die Prä­senz des Solo-Paukers Alexander Schuchert. Simon Gau­denz und das Orchester begeis­ter­ten das Jenaer Publi­kum mit einem leich­ten, trans­pa­ren­ten Beet­hoven Klang voller Klar­heit und Schön­heit.

Dr. Dietmar Ebert

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