Black Box № 1

»LOCKDOWN!« – Eine sehr gelungene musikalische Performance im Kassablanca

Black Box № 1 »LOCKDOWN!«, Foto: Eva Maria Liegl
Black Box № 1 »LOCKDOWN!«, Foto: Eva Maria Liegl

„LOCKDOWN!“ Es ist naheliegend, unter diesem Titel eine musikalische Performance zu gestalten. Doch, wie realisiert man eine „musikalische Installation“, wie performt man mit zwei Musikerinnen und drei Musikern dieses Thema? Olga Jemeljanowa (Violine), Christian Götz (Viola), Alma-Sophie Starke (Violoncello), Jörg Schneider (Oboe) und Bruno Osinski (Tuba) stellen nicht nur die ganz existenziellen Fragen, nämlich, was die Pandemie mit den Menschen, speziell den Musiker*innen der Jenaer Philharmonie macht, wie sie reagieren und welche Gefühle sie bewegen, sie finden vor allem eine intelligente, manchmal witzige, manchmal sehr nachdenkliche musikalische und szenische Lösung. Zu erleben war das am Mittwoch, dem 7. Oktober, im Kassablanca.

Mit Musik von Philipp Bimstein beginnt und endet der Abend, nach „alter Schelmenweise in Rondoform“. Während Bimsteins „Lockdown!“ eingespielt wird, und flackerndes Licht die Bühne erhellt, halten die fünf Solist*innen in rascher Folge Tafeln mit Sprüchen bekannter Persönlichkeiten in die Höhe, die sich direkt oder indirekt auf die Corona-Pandemie und den Lockdown beziehen. Rasanter Wechsel und dynamische Lichtreflexe.

Ja, und nun sind alle für sich allein. Alma-Sophie Starke spielt in der Garderobe die melancholische, sehr berührende „Grāmata čellam“ von Pēteris Vasks, die per Livestream auf die Leinwand übertragen wird. Seine ganze Wut über die Situation bringt Bruno Osinski in Claude Barthélémys „Banlieue IV“ zum Ausdruck. Tuba spielend, Schreie ausstoßend und mit dem Fuß ans Schlagwerk tretend, findet er zu einem sehr expressiven Spiel. Ganz im Gegensatz dazu versucht es Jörg Schneider mit dem Rückzug in die Natur und spielt umgeben vom Quaken der Frösche und anderen Naturgeräuschen ein wunderschönes Oboen-Solo: Philipp Bimsteins „Half Moon at Checkerboard Mesa“. Wie die Angst vor der Corona-Pandemie einen ganz beherrschen kann, wie Klaustrophobie und Wahn den Einzelnen gefangen nehmen können, führen Christian Götz und Jörg Schneider in einem sehr intensiv wirkenden Zusammenspiel zwischen Viola und Oboe in Geoff Sheills „World“ vor. Synchron zu ihrem Spiel werden bunte Kreise auf die Videoleinwand über der Bühne projiziert. Olga Jemeljanowa und Alma-Sophie Starke zeigen, wie auch die Besinnung auf den Glauben, ja vielleicht sogar die Flucht in die Spiritualität in der Lockdown-Situation eine Möglichkeit der Hilfe sein kann. Beide nutzen dafür Rhona Clarkes „Con Coro“ in einer Fassung für Violine und Cello.

Ich denke, wenn es ganz schlimm kommt, kann wirklich nur einer helfen: MOZART. Olga Jemljanowa, Christian Götz, Alma-Sophie Starke und Jörg Schneider spielen gleichsam als „Ruhepunkt“ die Romanze aus seiner „Grand Partita“. Doch das Finale gehört natürlich Philipp Bimstein und seinem Stück „Casino“. „Eat Drink Gamble Sex“ wird immer wieder skandiert. Geht es wirklich immer und immer wieder nur um die menschlichen Grundbedürfnisse Essen und Trinken? Oder dreht sich am Ende doch alles wieder nur um Sex?

Gute Fragen, Antworten werden nicht gegeben. Die Zuhörer*innen sind gefragt. Vielleicht gibt es aber doch ein Bedürfnis nach guter Musik, und dabei ist es völlig egal, ob E- oder U-Musik. Nur gut muss sie sein und dargeboten werden. Am Mittwochabend im Kassablanca spielte die Musik, die Live-Musik die Hauptrolle!

Gratulation zu einer hinreißenden Performance, die ein szenischer und musikalischer Genuss war. Wir hörten fünf großartige Musiker*innen, die zugleich tolle Performer*innen waren und in den Helfer*innen vom Kassablanca und vom Jenaer Theaterhaus sehr gute Partner hatten.

Dr. Dietmar Ebert

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