Die Jenaer Philharmonie unter Fabrice Bollon mit Werken von Beethoven und Tschaikowski

Michala Petri als Solistin in Fabrice Bollons »Your voice out of the lamb« stürmisch gefeiert

Michala Petri, Foto: OUR Recordings
Michala Petri, Foto: OUR Recordings

Zu Beginn des Konzertes spielte das Jenaer Philharmonische Orchester unter dem mitreißenden Dirigat von Fabrice Bollon Ludwig van Beethovens 1811 komponierte und im Februar 1812 uraufgeführte Ouvertüre zu August von Kotzebues Festspiel „König Stephan“ op. 117. Die Festspielmusik zu Kotzebues Stück ist heute völlig vergessen, auch die Ouvertüre wird nur noch selten gespielt. Den Jenaer Musikerinnen und Musikern gelang es unter Fabrice Bollons inspirierendem Dirigat, die Ouvertüre zu „König Stephan“ als kleines, aber wirkungsvolles Stück Beethovenscher Musik aufzuführen. Besonders in Erinnerung werden die klangschönen Soli der Holzbläser bleiben.

Umjubelte Aufführung von Fabrice Bollons „Your voice out of the lamb“ – Michala Petri, dem Komponisten und einer kleinen Orchesterbesetzung gelang Außergewöhnliches

Es folgte Fabrice Bollons Komposition „Your voice out of the lamb“ für Blockflöte und Orchester mit Michala Petri, die das Werk im Jahr 2017 gemeinsam mit dem Odense Symphony Orchestra aus der Taufe hob.

Dem Jenaer Publikum ist Michala Petri seit langem bekannt. Am 12. und 13. Dezember 1979 spielte die dänische Flötistin unter der Leitung von Günther Blumhagen Blockflötenkonzerte von Georg Philipp Telemann und Antonio Vivaldi.

Nach fast vierzig Jahren war sie nun wieder in Jena zu Gast, um den anspruchsvollen Solo-Part in Fabrice Bollons Konzert „Your voice out of the lamb“ zu spielen. Das Orchester war mit sechs Celli, vier Bässen, Keyboard, Harfe, je drei Trompeten und Posaunen, Marimbaphon, Metallophon und Schlagwerk besetzt. Wie Michala Petri im Zusammenspiel mit dieser kleinen Orchesterformation die klassische, ganz moderne Klangsprache des Komponisten mit mehreren Blockflöten zu Gehör brachte, war atemberaubend. Virtuos, eingängig, Zitate der Band „Genesis“ aufnehmend und umwandelnd, Elemente des Jazz und Pop einfließen lassend, musizierten Michala Petri und das Orchester unter der Leitung des Komponisten frei und grenzenlos. Fabrice Bollon hat ein Stück geschrieben, in dem alle Barrieren zwischen „ernster“ und „Unterhaltungsmusik“ eingerissen sind, eine Komposition, die einfach nur gute, ernst zu nehmende Musik ist. Besonders beeindruckend war das hohe Können von Michala Petri, die abwechselnd auf mindestens fünf Blockflöten aus ihrer Sammlung spielte, die ca. 150 Instrumente umfasst. Ebenso faszinierend war ihr traumwandlerisch sicheres Zusammenspiel mit einzelnen Instrumenten und Instrumentengruppen des Orchesters. Michala Petri, Fabrice Bollon und das Jenaer Orchester wurden vom Publikum stürmisch gefeiert. Die Solistin bedankte sich mit einem dänischen Volkslied und dessen Variationen. Ein Da Capo, ebenso virtuos wie humorvoll vorgetragen.

Peter Tschaikowskis Sinfonie Nr. 6 in h-Moll, die „Pathétique“ erklang in einer sehr kontrastreichen Interpretation

Im zweiten Teil des Konzerts erklang Peter Tschaikowskis Sinfonie Nr. 6 in h-Moll op. 74, die „Pathétique“. Fabrice Bollon führte das Jenaer Orchester sehr engagiert und ließ die Gegensätze zwischen lyrischen und dramatischen Passagen scharf herausarbeiten. Doch zunächst traf der Beginn mit den Klängen der tiefen Streicher und dem klagenden Thema des Fagotts sehr genau Tschaikowskis Intention, scheint es doch, als ob ein sinfonischer Erzähler sein Ende nahen spürt und in der Erinnerung bewegte Lebens-und Traumbilder an ihm vorüberziehen. „Episoden aus dem Leben eines Künstlers“, um Berlioz‘ Formulierung aus der „Symphonie fantastique“ zu gebrauchen. In Fabrice Bollons Lesart hörte sich das ein bisschen anders an. Fast ein bisschen gedehnt ließ er das breite lyrische Thema des 1. Satzes spielen, scharf und laut die darauf folgende dramatische Verwerfung. Ebenso schien mir, dass der im asymmetrischen 5/4-Takt stehende lyrische, walzerartige Tanz-Satz und der zwischen Glanz und bedrohlicher Brutalität changierende 3. Satz als eine Art Gegensatz-Paar interpretiert wurden. Vor allem im 3. Satz habe ich nur das Bedrohliche empfunden. Das ist eine Lesart, die ich respektieren, aber nicht unbedingt teilen kann. Mir fehlte wie auch im Finalsatz, der die Spanne zwischen Aufschrei und Verstummen umfasst,  ein wenig die seelische Tiefe, wie ich sie in der Interpretation Andrey Boreykos gefunden und noch immer im Ohr habe. Das schmälert nicht die große Leistung Fabrice Bollons und des Jenaer Orchesters, das sich wieder einmal in Bestform präsentierte. Es war eine Freude, wie besonders die tiefen Streicher, die Soli von Fagott, Flöte, Klarinette, Oboen und Hörnern und darüber hinaus alle Instrumentengruppen zu einem ebenso homogenen wie differenziertem Orchesterklang fanden.

Das Publikum dankte dem Dirigenten und Komponisten Fabrice Bollon mit lang anhaltendem herzlichem Applaus.

Dr. Dietmar Ebert

Zurück