Am Sonntag, dem 20. November, fand end­lich wieder ein Chor­sin­fo­ni­sches Kon­zert im Jenaer Volks­haus statt. Die Auf­füh­rung des Requiems für Mezzo­sopran, Bariton, ge­misch­ten Chor, Orches­ter und Orgel op. 9 passte so recht zur Stim­mung des Toten- oder Ewig­keits­sonn­tags.

Einstim­mung mit Johann Sebastian Bachs Orches­ter­suite Nr. 1 BWV 1066

Zuvor erklang aller­dings Johann Sebas­tian Bachs Orches­ter­suite Nr. 1 in C-Dur in der Beset­zung für 2 Oboen, Fagott, 2 Vio­li­nen, Viola und Basso con­tinuo. Rosa Donata Milton leitete das kleine Orches­ter vom 1. Pult aus und ließ die ho­hen Strei­cher im Ste­hen musi­zie­ren. So ent­stand ein sehr schlan­ker, trans­pa­ren­ter Orches­ter­klang. In der Ouver­türe ent­spann­te sich zwi­schen Vio­li­nen und Holz­blä­sern ein reiz­volles Wechsel­spiel, in denen die Blä­ser für einen Kon­tra­punkt zu den Vio­li­nen sorgten oder diese reiz­voll umspiel­ten. Die fol­gen­den Sätze Courante, die erste und zweite Gavotte, die For­lane, das erste und zweite Menu­ett, die erste und zweite Bourée und der abschlie­ßen­de Passe­pied sind Tanz­for­men, die Johann Sebas­tian Bach aufge­nom­men hat. Rosa Donata Milton und ihr klei­nes Orches­ter spiel­ten sie mit rhyth­mi­scher Präg­nanz und fan­den zugleich zu einem wei­chen aus­drucks­star­ken Klang voller Schön­heit, wie zum Bei­spiel beim Trio des 2. Menu­etts. Philipp Spitta beschreibt ihn als „duf­tig süß und heim­lich kosend“ – so schwebe das Menu­ett mit „elas­ti­schem Tritt“. Die Instru­men­ta­lis­tinnen und Instru­men­ta­lis­ten über­zeug­ten unter Rosa Donata Miltons inspi­rie­ren­der Leit­ung durch einen kla­ren, diffe­ren­zier­ten und doch zugleich vollen Orches­ter-Klang.

Maurices Duruflés „sanf­tes Requiem“

Philharmonischer Chor Jena, Foto: Tina Peißker
Philharmonischer Chor Jena, Foto: Tina Peißker

Das Publi­kum war durch Bachs 1. Orches­ter­suite in C-Dur bes­tens ein­ge­stimmt auf Maurice Duruflés Requiem für Mezzo­sopran, Bariton, gemisch­ten Chor, Orches­ter und Orgel op. 9. Zuvor begrüßte Alexander Richter den Phil­har­mo­ni­schen Chor Jena, der nach langer pan­de­mie­be­dingter Pause nun end­lich wieder ein großes chor­sin­fo­ni­sches Werk auf­füh­ren konnte.

Für die er­krank­te Berit Walther war kurz­fris­tig Max Rowek ein­ge­sprungen. Mögen ihm viel­leicht noch ein wenig Sicher­heit und Rou­tine als Diri­gent fehlen, so gelang ihm doch gemein­sam mit Ursula Thur­mair (Mezzo­sospran), Wieland Thur­mair-Lemke (Bariton), dem Phil­har­mo­ni­schen Chor Jena, dem Or­ches­ter der Jenaer Phil­har­mo­nie und Frank Betten­hausen (Orgel) eine sehr gute, vom Publi­kum mit herz­li­chem Beifall auf­ge­nom­mene Auf­füh­rung von Duruflés Requiem. Duruflé hatte die Kom­po­si­tion 1941 begon­nen. Die Urauf­füh­rung erfolgte zu Aller­heil­igen im Jahr 1947. Die Jenaer Phil­har­mo­nie war gut bera­ten, die Fas­sung für Streich­or­ches­ter, drei Trom­pe­ten, Harfe, Pauke und Orgel aus dem Jahr 1961 der Auf­füh­rung am Sonntag zugrunde zu legen, garan­tierte sie doch eine sehr aus­ge­wo­gene Klang­balance von Chor und Orches­ter.

Auch in dieser Fas­sung stellt jedoch Duruflés Requiem hohe sti­lis­tische Anfor­de­rungen an den Chor. Anklänge an den Gre­go­ria­ni­schen Choral meis­ter­te der Chor eben­so sicher wie die in der Tra­di­tion Johann Sebas­tian Bachs stehende Doppel­fuge im „Kyrie“. Im „Offer­to­rium“, „Sanctus“, „Hosanna“ und „Bene­dic­tus“ waren Frauen- und Männer­stimmen in allen Regis­tern jegli­chen Schwie­rig­kei­ten moder­ner Musik aus der Mitte des 20. Jahr­hun­derts bestens gewach­sen. Hier unter­scheidet sich Duruflés Requiem von dem rund 60 Jahre früher ent­stan­de­nen Requiem Gabriel Faurés, das oft als eine Art „Schwes­ter­werk“ bezeich­net wird. Sein Requiem basiere, so Duruflé, gänz­lich auf den Themen der gre­go­riani­schen Toten­messe. Manch­mal sei der Noten­text voll­stän­dig über­nom­men, der Orches­ter­part diene dann ledig­lich zu seiner Unter­stüt­zung und Kommen­tie­rung; ein anderes Mal habe er sich ledig­lich inspi­rie­ren lassen oder sich völlig ent­fernt, wie beim „Domine Jesu Christe“, beim „Sanctus“ und „Libera me.“ Im „Hosianna“ und vor allem im „Libera me“ über­zeug­te Wieland Thur­mair-Lemke mit schlank geführ­tem Bariton und gestal­te­ri­schem Können. Die viel­leicht berüh­rend­ste Stelle in Duruflés Requiem ist das innig-zarte „Pie Jesu“, das den inneren Kern der gesam­ten Kom­po­si­tion bil­det. Ursula Thur­mairs schö­ner Mezzo­sopran schien wie geschaf­fen für dieses Solo. Sie sang es lied­haft-schlicht, sehr innig und be­rührend. Ihre Stimme wurde von Klängen des Solo-Cellos (Henri­ette Lätsch) reiz­voll umspielt. Duruflés Requiem endet mit einem „äthe­risch anmu­tenden“ Satz, der „In para­di­sum“ über­schrie­ben ist. Er drückt die urchrist­li­che Hoff­nung auf ein Weiter­leben nach dem Tod und auf die Ewig­keit des Para­die­ses aus. Viel­leicht ist gerade das die tröst­li­che lebens­be­ja­hende Bot­schaft dieses „sanften Requiems“.

Das Publi­kum dankte mit langem herz­li­chem Applaus den Solis­ten, dem Chor und dem Orches­ter für die Auf­füh­rung dieses selten zu hören­den Requiems und Max Rowek für sein mutiges Ein­springen. Dass nun der Phil­har­mo­ni­sche Chor in solch hoher musi­ka­li­scher Quali­tät auf die Bühne des Volks­hau­ses zurück­ge­kehrt ist, weckt die Vor­freude auf alle Chor­kon­zerte in der Advents­zeit.

Dr. Dietmar Ebert

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