»Planet Schostakowitsch«

Spielzeitschwerpunkt 2025.2026

Simon Gau­denz star­tet 2025 in seine achte Sai­son als Gene­ral­mu­sik­di­rek­tor in Jena. Nach dem erfolg­rei­chen Ab­schluss des Mah­ler-Scar­taz­zini-Zyk­lus schlägt er mit der Jenaer Phil­har­mo­nie ein neues Kapi­tel auf und setzt in der Spiel­zeit 2025.2026 einen the­ma­ti­schen Schwer­punkt auf den Kom­po­nis­ten Dmi­tri Schos­ta­ko­witsch:

Nach Ab­schluss unse­res sie­ben Jahre wäh­ren­den Mah­ler-Scar­taz­zini-Zyk­lus steht für mich fest, dass nun musi­ka­lisch etwas Neues fol­gen muss, und zwar kein neuer Zyk­lus, son­dern andere Schwer­punkte. Trotz­dem wei­ter­hin einen Fokus zu suchen und Ver­bind­lich­keit her­zu­stel­len, scheint mir wich­tig, und so ver­fes­tigte sich die Idee eines der Stadt Jena nahe­ste­hen­den Begriffs: Planet. Immer in Bewe­gung sein, um etwas krei­sen, das Erfor­schen, die Uner­gründ­lich­keit – in diese Rich­tung soll es gehen. So wer­den wir in der neuen Spiel­zeit den „Pla­ne­ten Schos­ta­ko­witsch“ erkun­den.

Warum Schos­ta­ko­witsch? Sein 50. Todes­tag 2025 ist nur ein äuße­rer Anlass. Für mich ist viel­mehr von Bedeu­tung, dass ein Kom­po­nist, den wir in Jena in den Mit­tel­punkt einer Spiel­zeit stel­len, etwas Wesent­li­ches (mit und über die Musik hinaus) zu sagen hat. Wir wol­len Schos­ta­ko­witsch zu vie­len Themen befra­gen: Was sagt er zur Gesell­schaft? Was sagt seine Musik poli­tisch aus? Was würde er uns sagen, wenn er heute noch leben würde? Diese Fra­gen kön­nen wir aus­schließ­lich musi­ka­lisch beant­wor­ten. Und dies wird uns hof­fent­lich gelin­gen, indem wir aus­ge­wählte Kom­po­sit­io­nen sei­nes umfang­rei­chen Gesamt­werks mit der Jenaer Phil­har­mo­nie auf­füh­ren: die erste, sie­bente und zehnte Sin­fo­nie, das erste Kla­vier­kon­zert, das erste Vio­lin­kon­zert und Meis­ter­werke aus sei­nem rei­chen kam­mer­mu­si­ka­li­schen Schaf­fen. Diese Kom­po­si­tio­nen prä­sen­tie­ren wir nicht iso­liert, son­dern setzen sie in Bezie­hung zu denen ande­rer Kom­po­nis­ten.

»Wir setzen Schostakowitschs Werke in Beziehung zu denen anderer Komponisten.«

SIMON GAUDENZ

Schostakowitsch in seiner Zeit

Schos­ta­ko­witschs span­nen­den Lebens­weg könnte man in vier Epi­so­den unter­tei­len: die Zeit um die rus­si­sche Revo­lu­tion 1917, die er als jun­ger Mann haut­nah mit­er­lebt hat; danach die Aus­ein­an­der­set­zung mit Sta­lin, die in dem für Schos­ta­ko­witsch lebens­be­droh­li­chen Kon­flikt um die Urauf­füh­rung sei­ner Oper „Lady Mac­beth von Mzensk“ kul­mi­nierte; das dann fol­gende poli­ti­sche Tau­wet­ter und zum Ende sei­nes Lebens hin wei­tere Ein­schrän­kung sei­ner Frei­hei­ten in der Sow­jet­union. Zu Beginn sei­ner Kom­po­nis­ten­lauf­bahn war er mutig und natür­lich auch begeis­tert vom revo­lu­tio­nä­ren Auf­bruch. Aber schon nach dem „Lady Mac­beth“-Skan­dal 1936 mus­ste er „einen dop­pel­ten Boden“ als Selbst­schutz in seine Musik ein­zie­hen. Die krea­tive Kunst­aus­übung wurde von Sta­lins Staats­ap­parat unter­drückt und sein Schaf­fen einer schar­fen Kon­trolle unter­zo­gen. Es war eine Zäsur, nicht nur für Schos­ta­ko­witsch, son­dern der Start­schuss der Macht­ha­ber, eine Künst­ler-Avant­garde auf Staats­li­nie oder zum Schwei­gen zu brin­gen. Schos­ta­ko­witschs Genia­li­tät besteht mei­ner Ansicht nach darin, künst­le­risch zu über­le­ben, ohne sich kor­rum­pie­ren zu las­sen. Natür­lich beklei­dete er auch offi­zielle musik­po­li­tische Ämter. Wer sich aber seine Reden anhörte, wie empa­thie­los er diese „herun­ter­lei­erte“, konnte ihm zwar nichts vor­wer­fen, jeder, der aber nur ein wenig Gefühl hatte, spürte, dass seine Worte nicht so gemeint waren, wie er sie aus­sprach. Die Auf­füh­run­gen sei­ner pro­mi­nen­ten Werke, also ins­be­son­dere seiner Sin­fo­nien, gli­chen poli­ti­schen Kund­ge­bun­gen, gegen die der Staats­ap­pa­rat nichts aus­rich­ten konnte. Seine Kom­po­si­tio­nen waren Pro­teste ohne Worte.

Das Zeitlose in Schostakowitschs Musik

Die Fas­zi­na­tion für Schos­ta­ko­witschs Musik wäre längst ver­lo­ren gegan­gen, wenn sie ein­deu­tig wäre. Auf­grund ihrer Viel­schich­ti­gkeit, Mehr­deu­tig­keit, ja Rät­sel­haf­tig­keit wird man sie kaum je erfor­schen kön­nen. Dies lässt sich viell­eicht auch von vie­len ande­ren Kom­po­nis­ten behaup­ten. Das Ein­zi­gar­tige an Scho­sta­ko­witschs Musik ist, dass sie mit der Zeit­ge­schichte untren­nbar ver­wo­ben ist. Gleich­zei­tig ist sie so heraus­ra­gend, bis hin zu den klei­ne­ren und unbe­kann­te­ren Wer­ken, dass sie auch als abso­lute Musik Bestand hat. Sie hält dem kri­ti­schen Hören auch ohne den zeit­his­to­ri­schen Kon­text stand. Schos­ta­ko­witsch begeg­net den Aktu­ali­tä­ten sei­ner Zeit auf seine eigene Art und Weise. Seine Kunst orien­tiert sich an der Rea­li­tät. Das Maschi­nelle, die tiefe Betrof­fen­heit und Empa­thie, die Schos­ta­ko­witsch in sei­ner Musik dem Men­schen gegen­über zeigt, machen sein Werk für mich beson­ders. Schos­ta­ko­witschs Musik ist „ein kom­po­nier­tes Ge­schichts­buch“. Dies ist ein­ma­lig.

»Schostakowitschs Kompositionen sind Proteste ohne Worte.«

SIMON GAUDENZ

Dmitri Schostakowitsch (1960), Quelle: Deutsche Fotothek / Erich Höhne und Erich Pohl
Dmitri Schostakowitsch (1960), Quelle: Deutsche Fotothek / Erich Höhne und Erich Pohl

Unsere Werkauswahl

Die größte Anzahl der Werke Schos­ta­ko­witschs kann als qua­li­ta­tiv her­vor­ra­gend und auf­füh­rungs­wür­dig bezeich­net wer­den. Die erste Sin­fo­nie zeigt die Unbe­küm­mert­heit und den Witz des jun­gen Kom­po­nis­ten, auch die Lust an der Pro­vo­ka­tion. Sie ist ein sehr klas­si­sches Werk, das noch unmas­kiert erschei­nen darf. Das erste Vio­lin­kon­zert habe ich gemein­sam mit Felix Men­dels­sohn Bar­thol­dys „Refor­ma­tions­sin­fo­nie“ pro­gram­miert, weil beide Werke eine reli­giöse Kon­no­ta­tion auf­wei­sen, bei Schos­ta­ko­witsch sind es jüdi­sche The­men. Im kurz nach Fer­tig­stel­lung der Oper „Lady Mac­beth von Mzensk“, also sozu­sa­gen am Vor­abend der Katas­tro­phe kom­po­nier­ten 1. Kla­vier­kon­zert, spielt neben dem Kla­vier die Solo­trom­pete eine heraus­ra­gende Rolle, deren Part ich gerne unse­rem Stell­ver­tre­ten­den Solo-Trom­peter Alek­sey Shust ermög­li­chen wollte. Dann folgt die 7. Sin­fo­nie, die soge­nannte „Lenin­gra­der“, die das Orches­ter als Mono­lith prä­sen­tie­ren wird. Auf die Licht­kunst von unse­rem ARTIST IN RESI­DENCE Robert Sei­del zu die­sem Werk bin ich sehr gespannt. Was sicher ist, dass es nicht um Pla­ka­ti­vi­tät oder Ver­stär­kung der Effekte gehen wird. Robert Sei­del kann lang­same Ent­wick­lun­gen visua­li­sie­ren und auch Stille sehr laut wer­den las­sen. Schließ­lich prä­sen­tiert das Or­ches­ter auch noch die 10. Sin­fo­nie mit sei­nem bru­ta­len Scherzo, nach Ansicht vie­ler das gräss­li­che Por­trät Sta­lins. Darü­ber hinaus brin­gen unsere Musi­ke­rin­nen und Musi­ker ver­schie­dene her­aus­ra­gende Kam­mer­mu­sik­werke zur Auf­füh­rung. Schos­ta­ko­witschs kam­mer­mu­si­ka­li­sches Schaf­fen ist von der­sel­ben Qua­li­tät wie seine Sin­fo­nien.

Mein Blick auf Schostakowitsch

Ich schaue heute anders auf Schos­ta­ko­witsch im Ver­gleich zu mei­ner Stu­dien­zeit oder mei­nen ers­ten Jah­ren als Diri­gent. Frü­her war ich vor allem fas­zi­niert von der Brill­anz der Or­ches­ter­be­hand­lung, den bra­chia­len Klang­wir­kun­gen und den tän­ze­ri­schen Ele­men­ten. Der Blick hin­ter die Kulis­sen die­ses Kom­po­nis­ten gelang mir tat­säch­lich erst durch die jah­re­lange Beschäf­ti­gung mit der Musik Gus­tav Mah­lers.

»Schostakowitsch: Der Mahler des 20. Jahrhunderts.«

SIMON GAUDENZ

Von Mahler zu Schostakowitsch

Schos­ta­ko­witsch bedeu­tet nach dem Mah­ler-Scar­taz­zini-Zyk­lus für mich den logi­schen nächs­ten Schritt, weil er, als ‚der‘ Sin­fo­ni­ker in der Nach­folge Gus­tav Mah­lers, als der Mah­ler des 20. Jahr­hun­derts gel­ten kann. Schos­ta­ko­witsch schrieb als Ein­zi­ger Sin­fo­nien, die das Aus­maß und die Größe von Mah­lers Werk­ka­non er­rei­chen. Es fin­den sich in Mah­lers Sin­fo­nien viele Pas­sa­gen, von denen sich Schos­ta­ko­witsch hat ins­pi­rie­ren las­sen: die Ein­sam­keit eines oder zweier Ins­tru­mente, die ihre Soli spie­len, gleich­zei­tig umge­ben von der Ener­gie des gro­ßen, aber stum­men Or­ches­ters, das um diese Solis­ten herum zu spüren ist. Die rie­si­gen Stei­ge­run­gen, die lawi­nen­ar­tig zusam­men­bre­chen – Kom­po­si­tions­merk­male, die für Mah­ler wie für Schos­ta­ko­witsch prä­gend sind. Das Aller­wich­tigste, das diese bei­den gro­ßen Kom­po­nis­ten ver­bin­det, ist die Tat­sa­che, dass sie ihr See­len­le­ben in die Musik gege­ben haben. Gus­tav Mah­ler hat dies hem­mungs­los und sozu­sa­gen öffent­lich getan, wäh­rend Schos­ta­ko­witsch mit dop­pel­tem und drei­fa­chem Boden arbei­ten musste, um in einem Leben zwi­schen rus­si­scher Revo­lu­tion und sta­li­nis­ti­scher Bedro­hung als freier Küns­tler nicht zu sehr anzu­ecken, auf­zu­fal­len und sein Leben zu ris­kie­ren.

Konzerte zum Spielzeitschwerpunkt »Planet Schostakowitsch«

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Konzert zum Tag des offenen Denkmals

Ein Ausblick auf die neue Spielzeit mit Werken von Dmitri Schostakowitsch, Ernest Tomlinson, Ludwig van Beethoven, Peter Tschaikowski, Edvard Grieg und Frederick Delius

Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung / ARTIST IN RESIDENCE Robert Seidel, Lichtkunst

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Werke von Dmitri Schostakowitsch und Felix Mendelssohn Bartholdy

Liza Ferschtman, Violine / Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung

· Hotel & Restaurant Schwarzer Bär

Werke von Dmitri Schostakowitsch und Sergei Prokofjew

Julia Suslov-Wegelin, Violine / Karina Suslov-Götz, Viola / Alexander Wegelin, Violoncello / Batia Murvitz, Klavier

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Werke von Joseph Haydn, Dmitri Schostakowitsch und Ludwig van Beethoven

Lilya Zilberstein, Klavier / Aleksey Shust, Trompete / Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 60

Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung / ARTIST IN RESIDENCE Robert Seidel, Lichtkunst

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 60

Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung / ARTIST IN RESIDENCE Robert Seidel, Lichtkunst

· Rathausdiele

Werke von Dmitri Schostakowitsch und Johannes Brahms

Christof Reiff, Klarinette / János Mátyás Stark, Violine / Elizaweta Leonowa, Violine / Hanna-Maria Bormuth, Viola / Henriette Lätsch, Violoncello

· Rathausdiele

Werke von Thomas Blomenkamp (Uraufführung), Michael Praetorius, Dmitri Schostakowitsch, Enrique Crespo und Niels Wilhelm Gade

QUADRIGA Posaunenquartett

· Kronenzentrum/Großer Saal

Werke von Richard Strauss, Jacques Ibert und Dmitri Schostakowitsch

Ana de la Vega, Flöte / Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung

· Stadthalle

Werke von Richard Strauss, Jacques Ibert und Dmitri Schostakowitsch

Ana de la Vega, Flöte / Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 1 f-Moll op. 10

Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Werke von Jacques Ibert und Dmitri Schostakowitsch

Ana de la Vega, Flöte / Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Exklusiv für TA-/OTZ-/TLZ-KLUB-Mitglieder

Werke von Richard Strauss, Jacques Ibert und Dmitri Schostakowitsch

Ana de la Vega, Flöte / Jenaer Philharmonie / Simon Gaudenz, Leitung

· Rathausdiele

Werke von Arno Babadschanjan und Dmitri Schostakowitsch

Cornelius Spaeth, Violine / Karina Suslov-Götz, Viola / Igor Gryshyn, Klavier

· Stadtteilzentrum LISA

Werke von Dmitri Schostakowitsch

tauber quartett: Johannes Tauber, Violine / Christoph Hilpert, Violine / Christian Götz, Viola / Alexander Wegelin, Violoncello

· Volkshaus/Ernst-Abbe-Saal

Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Dmitri Schostakowitsch

Jean-Efflam Bavouzet, Klavier / Jenaer Philharmonie / Christoph Altstaedt, Leitung

· Rathausdiele

Werke von Dmitri Schostakowitsch, Johann Sebastian Bach und Alexander von Zemlinsky

Christof Reiff, Klarinette / Henriette Lätsch, Violoncello / István Lajkó, Klavier

· Rathausdiele

Werke von Dmitri Schostakowitsch

Torben Jans, Violine / Carmen Dreßler, Violoncello / Oksana Andriyenko, Klavier

· Hotel & Restaurant Schwarzer Bär

Werke von Dmitri Schostakowitsch und Johannes Brahms

Katharina-Viktoria Georgiev, Violine / Alexander Lesch, Violine / Christian Götz, Viola / Carmen Dreßler, Violoncello / James Maddox, Klavier